Verantwortung abgeschoben – Problem bleibt.

Verantwortung abgeschoben – Problem bleibt.

Als ich zum ersten Mal 1995 vor Schloss Gauernitz stand, war für mich sofort klar, dieser Ort ist etwas ganz besonderes. Ein Schloss am Ufer der Elbe. Und das mögen die Kolonisten, die Erbauer auch im 13. Jahrhundert erahnt haben. Viele stolze Besitzer, viele Generationen haben es seither gepflegt, erhalten und erweitert. Nur jetzt scheint es mehr Fluch als Segen für die politisch Verantwortlichen zu sein.
Die von Zinzendorf richteten im 15. Jahrhundert einen vorbildlich florierenden Landwirtschaftsbetrieb ein. Weinberge, Gemüsegärten, an den Hängen Wiesen mit Obstbäumen mit über 260 verschiedenen Sorten und einen romantischen Landschaftspark auf der Elbinsel. Selbst nach der Enteignung, im Arbeiter und Bauernparadies fand man für die zauberhafte Anlage noch Verwendung. Es war Leben im Schloss, mit einer Grundschule, dem Kindergarten, Gemeindeverwaltung, Arztpraxis und Wohnungen. Das sich anschließende Fischerdorf schmiegt sich gleichsam an das Schlossgelände an und ist gewissermaßen Teil der Anlage. Einige der umliegenden Grundstücke und Häuser befinden sich auf dem Gelände des früheren Schlossparks. Seit sieben Jahren wohne ich in diesem Dorf. Wenn ich in meinem kleinen Dachbodenzimmer sitze, kann ich den Erker des im sechzehnten Jahrhundert erbauten “Hohen Hauses” sehen. Es scheint der Rest von Wohlstand, Stil und Haltung zu sein, der da erhaben noch durch den Wildwuchs schimmert. Gleich wird dort zwischen Ahorn und Wildrosenbüschen Dornröschen erscheinen, möchte ich glauben.
Doch das zauberhafte Anwesen ist mittlerweile alles andere als romantisch.
Durch das Dach, welches mehreren Stellen undicht ist, dringt seit vielen Jahren der Regen ein. Das Mauerwerk ist mittlerweile so marode, dass man dem Verfall zusehen kann. Wer ist für diesen Niedergang verantwortlich? Im Jahre 2003 verkaufte die Gemeinde Klipphausen das Anwesen an den heutigen Besitzer mit dem fürstlichen Namen Caesar Werner Linn. Und seitdem verfällt das Tafelsilber.
Von zugesagten Investitionen ist nur ein halb gedecktes Dach zu erkennen, daneben Löcher bis zu fehlenden Dachfeldern. Das Mauerwerk scheint abzusacken, weil das Fundament frei liegt. Auch wenn ich den morbiden Charme zu entdecken versuche, finde ich keinen Gefallen daran.
Das Jahrhunderthochwasser der Elbe hat das Schloss 2002 schwer mitgenommen. Hat der Schlossbesitzer Fluthilfe bekommen? Sind Fördermittel gezahlt worden? Unserer Gesellschaft droht hier ein wertvolles Stück sächsischer Geschichte für immer zu entgleiten. Es gab den Versuch, mit dem Schlossherr ins Gespräch zu kommen. Eine Anfrage zu einem Gesprächstermin beantwortete er mit einer vagen Aussicht auf den Sommer. Er lässt sich hier nur aller paar Wochen sehen, versteckt sich quasi vor der Öffentlichkeit und wir sehen keine Anzeichen dafür, dass er an einem Gespräch mit den Nachbarn und Dorfbewohnern interessiert wäre.
Bei dem Versuch, sich in den “Förderverein Schloß Gauernitz e.V.” einzubringen, stellten wir fest, dass dieser vorwiegend mit Familienmitgliedern besetzt ist. Für Außenstehende offenbar unzugänglich. Glaubt die Gemeinde Klipphausen, sich durch den Verkauf dieses einzigartigen Kulturdenkmals sächsischer Heimatgeschichte ihrer Verantwortung entledigt zu haben? Wer hat den Verzicht auf Rückübereignung, bei nicht Einhaltung vom Investitionsgebot unterschrieben? Für das Schloss und für das Rittergutsgelände in Alt-Gauernitz, hätte es spannende Gestaltungsmodelle gegeben, für Gewerbe, Verwaltung und hochwertigen Wohnraum, ein Potential um das uns viele beneiden.
Leider setzt die Gemeinde lieber auf Flächenverbrauch und billigen Neubau,

Anita Rempe- Gilbert, 01665 Klipphausen, Fischerdorf 4

 

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Kommentare: 2

  1. Katarina Rempe sagt:

    Ich kann mich dieser treffenden Beschreibung nur anschließen. Es ist unverständlich, dass mit diesem Kulturdenkmal so umgegangen wird. Zum einen aus einer ganz persönlichen und emotionalen Perspektive: Das Schloss Gauernitz war meine Grundschule und Hort, ein Ort, an dem ich Lesen und Schreiben gelernt habe, an dem Feste gefeiert wurden, ein Ort, der mit meiner Kindheit und persönlichen Entwicklung untrennbar verbunden ist und damit ein großes Stück Heimat für mich bedeutet. So wie mir geht es vielen, die dort gewohnt haben und zur Schule gegangen sind. Das Schloss war Teil des Dorflebens. Wenn man sich das Schloss jetzt anschaut, kann man kaum glauben, wie viel Leben dort existierte, es verfällt und wird eine tote Ruine, die zudem auch noch vollkommen unzugänglich ist. Schlösser dienten früher nicht nur als Sitz und Wohnort, sondern hatten auch repräsentative Zwecke. Und das haben sie ja in gewisser Weise auch heute noch: Kulturdenkmäler zeigen auch heute noch, welches Verständnis eine Kultur zu ihrer Geschichte und Region haben. Was sagt es über die Region aus, über Gauernitz, wenn ein solches Denkmal nur noch eine tote Ruine ist? Was zeigen wir damit den Besuchern und Touristen, die dank des schön gebauten Elbradweges die Gegend erkunden? Hier zeigt sich, dass der Verfall des Schlosses nicht nur aus einer persönlichen und emotionalen Perspektive fatal ist, sondern aus einer gesellschaftlichen und kulturellen und dass dies Konsequenzen für die Region hat, die zunehmend auch von Touristen profitiert!!! Ganz zu schweigen davon, dass der Anreiz für bestehende und potentielle Bewohner, an einem Ort zu wohnen, der offensichtlich verfällt und wo nichts von Seiten der Gemeinde dagegen getan wird, als eher gering einzustufen ist. Es ist höchste Zeit, dass sich die Gemeinde ihrer Verantwortung stellt, wenn sie will, dass Gauernitz ein lebendiger und attraktiver Ort bleibt für Bewohner und Besucher.

    • Steve Neumann sagt:

      Hallo,
      meine Mutter ist damals in den dortigen Kindergarten gegangen. Sie wohnte direkt in dem Haus gegenüber vom Schloss. Jedes Jahr fahren wir einmal nach Gauernitz und müssen jedes mal feststellen, daß das Schloss mehr und mehr zerfällt. Wie gern würde ich ihr den Wunsch erfüllen einmal das Schloss von innen sehen zu können. Viele schöne Momente verbindet sie mit diesem Gebäude. Wenn wir durch Gauernitz laufen erzählt sie uns jedes mal wo der Laden mit den Süßigkeiten war und wer wo gewohnt hat. Wo die schnellste Rodelbahn war und wie schön man sich im Eichhörnchengrund verstecken konnte. Ich hoffe wir können noch viele Jahre zusammen durch Gauernitz spazieren gehen und vielleicht klappt es ja doch einen Blick in das Schloss zu werfen.

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