Offener Brief an Gemeinderat und Bürgermeister

Offener Brief an Gemeinderat und Bürgermeister

Sehr geehrte Damen und Herren,                                      Klipphausen, 22.5.2018

als Vorsitzender des Kulturkreises Schloss Scharfenberg e.V. und im Namen zahlreicher Bürger der Gemeinde Klipphausen möchte ich mich mit diesem Schreiben an Sie wenden.

Anlass: Laut offizieller Erhebung wurden im Landkreis in den letzen Jahren mehr als sechzig Prozent der Straßenbäume weggepflegt.

Unser Gemeindegebiet macht dabei keine rühmliche Ausnahme. Bereits vor zehn Jahren habe ich in einem Schreiben an den Gemeinderat auf diese Tendenz hingewiesen. Verändert hat sich wenig, im Gegenteil, jedes Frühjahr fallen überalterte Bäume, nachgepflanzt werden keine. Straßenbegleitgrün gehört seit jeher zu unserer Kulturlandschaft. Selbst in Zeiten als es hierzulande bescheidener zuging, war es selbstverständlich an unseren Straßen Bäumen zu pflanzen. Ob Gestaltungswille oder aus Tradition, als Wertschätzung für die heimatliche Umgebung oder weil man wusste, dass man irgendwann Feuerholz braucht, Bäume oder Sträucher gehörten an Wege. Offenbar wusste man damals noch, dass Sträucher zum Wind- und Errosionsschutz  taugen. Vielleicht verstand man auch, dass Bäume Staub filtern und der Luftqualität gut tun. Selbstverständlich war, dass es Feldwege und Gehölzstreifen gab, die eine Landschaft gliedern, dass sie Brutplätze und Nahrung für mittlerweile fast ausgestorbene einheimischer Arten sind. Ob aus Desinteresse am Gesicht unserer Landschaft, aus verlorenem Wissen oder der Einstellung, Zeit und Kosten sparen, alles andere ist völlig egal. Es sei dahingestellt. 

Wir meinen, es ist endlich Zeit konkret und umfassend zu handeln.

Seit einigen Jahren organisieren unsere Vereine im Herbst ein „Baumpflanzfest“. Wir versuchen die kahlen Schneisen zwischen unseren Dörfern wieder zu begrünen. Zu dritt haben wir damals angefangen, mit Spaten und eigenem Geld. Mittlerweile sind es viele geworden und jedes Jahr werden es mehr. Familien aus Scharfenberg, Naustadt und neuerdings auch aus umliegenden Dörfern. Ohne Zweifel, es scheint für immer mehr Bürger ein Bedürfnis zu sein, die Ausräumung der Landschaft, die zunehmende Verwahrlosung ihres Lebensumfelds zu beenden.

Unsere Frage an Bürgermeister und Gemeinderat: Soll es auch zukünftig ausschließlich Aufgabe von Privatpersonen oder Vereinen sein, die Lebensumgebung der Bürger, sprich den öffentlichen Raum, aus eigener Tasche oder mit Spenden, lebendig und ansehnlich zu gestalten? Oder ist es nicht primär die vorzügliche Pflicht von Land und Gemeinde für eine gesunde und attraktive Heimat ihrer Bürger zu sorgen?

Die Diskussion um Straßenbäume und mehr Grün im öffentlichen Raum ist nicht neu. Als Hinderungsgrund wurden in der Vergangenheit immer Sachzwänge angegeben. (Kosten, Pflege und Einverständnis von Eigentümern oder Bewirtschaftern) Für einige Stellen mag es zutreffend sein, für den Rest willkommene Vorwände. Die eigentlichen Gründe für unterlassene Pflege und Nachpflanzung, dürften Desinteresse und Kosten gewesen sein. Die Einsparung mag für den Gemeindehaushalt vielleicht erbaulich sein, für Erhaltung und Pflege unsere Kulturlandschaft ist sie allerdings verheerend. 

Sehr geehrte Damen und Herren, Klipphausen ist eine der wohlhabendsten Gemeinden im Landkreis. Wann, wenn nicht jetzt sollte man eine attraktive Kulturlandschaft gestalten? Wann, wenn nicht jetzt, ist Zeit für eine Aufwertung des öffentlichen Raumes, Aushängeschild und Gesicht einer wohlhabenden Gemeinde? 

Anmerkung: Im Gegensatz zur landläufigen Ansicht, dass es hier schon immer so aussah wie im Ostbalkan, war unsere Gegend vor einigen Jahrzehnten genau so gegliedert, wie hundert Kilometer weiter. Alleen an Straßen, Feldwege und Raine, auflockernder Baumbestand und Wildhecken in Senken und auf Anhöhen bereicherten unsere fruchtbare Landschaft. Genauso, wie man es jetzt noch in Niederschlesien, Böhmen, Franken oder Bayern genießen kann.

Bei Erhalt und Pflege von Kulturlandschaft spielen Landwirtschaftsbetriebe als Landbesitzer oder Pächter die wichtigste Rolle. In unserem Gemeindegebiet allerdings eher eine unrühmliche. Einige scheinen ihre Pflicht gegenüber der Gemeinschaft, von der sie alimentiert werden, absichtlich zu vergessen. (MAP Aktiengesellschaft, mehr als 450.000€ jährlich, Saubachtaler Agrar GmbH mehr als 350.000€ jährlich)

Pflege und Erhalt von Kulturlandschaft sind der wichtigste Bestandteil im Gesellschaftsvertrag und berechtigen überhaupt erst die Auszahlung von Subventionen. (Verordnungsauszug im Anhang) Aber offensichtlich steht Gewinnmaximierung für einige Akteure im Vordergrund. Die seit einigen Jahren praktizierte widerrechtliche „Landnahme“ von Gemeindeeigentum dürfte nur ein Indiz von zahlreichen anderen sein. (Beispiele mit Fotos, Karten im Anhang)

Hintergrund: Zur Beantragung von Subventionen müssen laut neuer Verordnung keine Pacht-oder Eigentumsnachweise mehr vorgelegt werden. Bemessungsflächen werden per Satellit über die letzte Ackerfurche vermessen. Demzufolge lassen die Agrarier jeden Zentimeter beackern, denn für jeden Zentimeter fliest unser Steuergeld in ihre Hosentaschen. 

In der Regel befindet sich nach dem Straßenbankett noch ein minimal zwei Meter breiter Streifen in Besitz von Land oder Gemeinde. Er war beim Anlegen der Straße für Begleitgrün vorgesehen.  In den letzten Jahren wurden viele Bäume aus Altersgründen entfernt. Unterbleibt eine Nachpflanzung, ackern die Betriebe neuerdings bis zum Asphalt. Juristisch würde man es mit widerrechtlicher Aneignung oder Nutzung von fremden Eigentum umschreiben, ganz prosaisch gesagt, ist es Diebstahl, Subventionsbetrug und Diebstahl  zum Nachteil der Gemeinschaft. (Anzeigepflicht BgB § 285, Mitschuld wegen fahrlässiger Pflichtverletzung, BGB Organhaftung).

Wie will sich die Gemeinde verhalten?  

Sollen wir als Vereine und Träger öffentlicher Belange juristisch aktiv werden oder steht die Gemeinde als Verwalter von Gemeinschaftseigentum in der Pflicht?

Marginale:   In unserer Gemeinde gebieten momentan nur noch wenige Akteure über gigantische Ackerflächen. In anderen Landesteilen sind derartige Zustände undenkbar. (Vergleich statistisches Bundesamt) Flächensubvention, enorme Ackerschläge und entsprechend minimaler Personalaufwand, sind beträchtliche Wettbewerbsvorteile. Aber offenbar scheint dieses Privileg einigen Herren noch nicht genug. Das sich anderswo kleine und mittlere Betriebe, unter teils ungünstigeren Bedingungen, offensichtlich an Verordnungen halten, sieht man den Landschaften an.  In unserem Landkreis dürfen die Großagrarier offenbar  Pflicht-und Rechtsfreie Räume genießen. Man kann es für richtig oder paradox halten, wenn man eine Branche und ihre Kapitalgesellschaften über Jahrzehnte mit unserem Steuergeld alimentiert. Mann kann es sogar als innovativ verkaufen, wie der Herr Minister. Wenn die Akteure allerdings meinen, dass Gesetze und Verpflichtungen für sie nicht gelten, sollte man schleunigst handeln. (Mit fast der Hälfte des EU Haushaltes wird die Agrarwirtschaft alimentiert) Um Missverständnisse zu vermeiden, es geht nicht darum eine Branche schlecht zu reden. Es geht hier um Charakter und das Gebaren einiger Herren. Offenbar ist ihnen entgangen, dass nicht sie uns, sondern wir sie mit unseren Steuermillionen ernähren.  Schon aus diesem Grund wäre es völlig unangebracht, sich als Bittsteller zu betragen. Die Gemeinschaft hat die ihr zustehende Leistung zu fordern, mit Fug und Recht, ohne Wenn und Aber. 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderates, über Kulturlandschaft oder den Begriff „Heimat“ wird in letzter Zeit viel debattiert und noch mehr geschrieben. Letztendlich liegt es in Ihren Händen und in Ihrer Verantwortung, wie unsere Kulturlandschaft, sprich Heimat, jetzt und zukünftig aussieht. Wir ersuchen Sie hiermit, auf unsere Fragen um eine schriftliche Stellungnahme. Weiterhin bitten wir Sie, Nachpflanzung von Bäumen und Sträuchern an Gemeindestraßen im Herbst fest einzuplanen.

Mit Dank für Ihre Geduld 

G.L.Lippold

Kulturkreis Schloss Scharfenberg e.V.

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